„Breath from Salt“ erzählt die erstaunliche Geschichte einer leidenschaftlichen Gemeinschaft in den USA, die es wagte zu träumen, zusammenzuarbeiten und außergewöhnliche Risiken einzugehen, um Menschen mit Mukoviszidose lebensrettende Behandlungen zu ermöglichen. Das englisch-sprachige Buch berichtet über die wissenschaftlichen und die wirtschaftlichen Hintergründe des Kampfes gegen Mukoviszidose und schildert die Emotionen der Familien, Ärzte und Wissenschaftler.
Die Geschichte beginnt in den 1930er Jahren, als Ärzte sich wunderten, dass manche Zöliakie-Patienten trotz Gluten-freier Diät starben, und bei der Autopsie eine seltsame Vernarbung der Bauchspeicheldrüse feststellten. Über diese seltsame Erkrankung wusste man sonst nichts. Erst 1949 wurde während einer starken Hitzeperiode der hohe Salzgehalt im Schweiß der Patienten entdeckt – die Grundlage für eine zuverlässige Diagnostik. Die verzweifelten Eltern begannen in den 50er Jahren damit, Spenden zu sammeln und einen Verein in den USA zu gründen. Aber wofür könnte das Geld am effizientesten verwendet werden: Die Familien, mehr Behandlungspersonal oder Forschung? Dieses Ringen dauert bis heute an.
Erste Therapie-Fortschritte
In den 60er Jahren begannen die Ärzte mit Hilfe der amerikanischen CF-Stiftung (CF Foundation, CFF), Patientendaten zentral zu sammeln, um die Ergebnisse unterschiedlicher Behandlungsstrategien der CF-Zentren zu vergleichen – wie sich herausstellte, eine gute Strategie für die Weiterentwicklung der Therapie. Damals wusste niemand, dass die Mukoviszidose-Register ein halbes Jahrhundert später ein Schlüssel für die Entwicklung der neuen Arzneien sein würden.
Der Leser erlebt die kleinen, aber stetigen Fortschritte der Therapie bei Enzymen, Inhalation, Antibiotika und Physiotherapie mit, und verfolgt das spannende Rennen, bis im Mai 1989 endlich das Mukoviszidose-Gen entdeckt wurde. Durch klinische Vergleichs-Studien wurden Argumente für das CF-Neugeborenen-Screening geliefert. Das Screening wurde in den USA 2009, in Deutschland leider erst 2016 eingeführt, und dafür musste der Mukoviszidose e.V. 10 Jahre lang hartnäckig kämpfen.
Falsch gefaltet
Das CF-Gen kodiert für ein Protein mit 1480 Aminosäuren, und es wurde „CF Transmembrane Conductance Regulator (CFTR)“ genannt, weil noch unklar war, was damit geregelt wurde. Die CFF intensivierte das Spenden-Sammeln immer weiter. Die Forscher fanden heraus, dass CFTR tatsächlich für den Salztransport der Zelle verantwortlich ist und dass eine einzige fehlende Aminosäure dazu führt, dass sich das Protein falsch faltet und seine Funktion nicht erfüllen kann.
Als sich Mitte der 2000er Jahre die CF-Gentherapie als große Enttäuschung herausstellte, entschloss sich die Leitung der CFF, in unbekanntes Terrain aufzubrechen: Moleküle zu suchen, die das defekte CFTR-Protein im Körper der Patienten korrigieren und seine Funktion wieder herstellen können.
Erfahrung: Selbsthilfe hilft
Der Leser erfährt, dass Pulmozyme, TOBI und auch die neuen Modulatoren ohne die Leistung der Selbsthilfe nicht möglich gewesen wären: Mit immer mehr Spenden wurden Forscher und Firmen für die Suche gewonnen, Patientendaten gesammelt und Studien finanziert, um den Patienten zu helfen. Der Erfolg der CFF ist beeindruckend und inspirierend. Er wurde finanziell ermöglicht durch Gewinne aus dem Verkauf des inhalativen Antibiotikums TOBI (das die CFF früher entwickeln ließ), einer anfänglichen 20-Millionen Spende von Bill Gates und einer unglaublichen Fundraising-Anstrengung, die über die Jahre 375 Mio. $ an Spenden für die Modulatoren-Entwicklung eingeworben hat. In dem Buch wird deutlich: Ohne diese Anstrengung hätte sich keine Pharma-Firma daran gemacht, für eine so seltene Erkrankung mit so aufwendigen Verfahren ein so hypothetisches Ziel zu verfolgen. Der Mukoviszidose e.V. hat in Deutschland ebenfalls ein Patientenregister und ein klinisches Studiennetzwerk etabliert, und dank der Mitarbeit der Patienten konnten die Zulassungsstudien auch in Deutschland durchgeführt werden. Darauf können wir stolz sein!
Niemanden zurücklassen!?
Und heute, nach Markt-Einführung von Kaftrio? Die CFF will niemanden zurücklassen, und steigert deshalb ihre Bemühungen, wirksam Therapien auch für jene zu entwickeln, die Kaftrio nicht nehmen können. Weil der Preis von Kaftrio so hoch ist, konnte die CFF ihre Gewinnbeteiligungen für 3,3 Mrd. $ an einen Investor verkaufen, und hat nun eine gut gefüllte Kasse, um Forschung zu finanzieren. Leider muss man aber einwenden, dass gerade dieser hohe Verkaufspreis bewirkt, dass CF-Patienten in den meisten Ländern der Erde keinen Zugang zu Kaftrio haben, weil sich die Gesundheitssysteme das teure Medikament schlicht nicht leisten können. Für ein Medikament, dessen anfängliche Entwicklung zu 100% aus Spenden finanziert wurde, ist das eine bittere Einsicht und eine Aufforderung an Vertex, den Preis zu senken, sobald die Firma die ca. 7 Mrd. $ für eigene Forschung und Zulassungsstudien wieder eingenommen hat. Denn auch außerhalb der USA sollte kein CF-Patient zurückgelassen werden!
So fesselnd, dass man es nicht weglegen kann
Ich habe im Laufe der Jahre viele, viele Freunde an Mukoviszidose verloren – Menschen, wie sie in diesem Buch beschrieben werden. Ich hatte viel Glück und konnte von den Methoden profitieren, deren Entwicklung das Buch beschreibt: Schweißtest, Physiotherapie, Pankreasenzyme, inhalative Antibiotika, und jetzt Kaftrio. Als ich das Buch las, bekam ich Gänsehaut, denn es war, als würde ich meine Autobiographie lesen. Die Autorin verwebt dafür drei Erzählungen geschickt miteinander: Eine wissenschaftliche Geschichte einer genetischen Krankheit und ihrer Forscher, einen umfassenden Leitfaden darüber, wie kompliziert es ist, einen Selbsthilfeverein zu leiten, und drittens eine warmherzige, mitfühlende Geschichte über das Leben von Familien, die von dieser Krankheit betroffen sind. Und gleichzeitig gelingt es der Autorin, so fesselnd zu schreiben, dass man das Buch nicht aus der Hand legen kann.
Stephan Kruip, 56 Jahre, Mukoviszidose-Patient
zuerst veröffentlich in MUKOinfo Ausgabe 4/2021
Bijal P. Trivedi: “Breath from Salt: A Deadly Genetic Disease, a New Era in Science, and the Patients and Families Who Changed Medicine Forever”
557 Seiten, Gebundene Ausgabe – 8. September 2020
Die Apotheken-Umschau berichtete in ihrer Ausgabe vom 01.07.2025 unter dem Titel "Immer weiter trotz Mukoviszidose" über die rasanten und lebensverändernden Fortschritte in der Forschung (und für mich). Den Text (ohne Fotos) könnt Ihr bei Apotheken-Umschau lesen.
Mein Leben wurde vom BR Fernsehen in der Serie „Lebenslinien“ portraitiert und im Mai 2025 ausgestrahlt. Danke an das Filmteam um Regisseurin Tanja von Ungern-Sternberg für die engagierte und einfühlsame Arbeit! Der 45-minütige Film ist noch in der ARD-Mediathek verfügbar.
Das Magazin GEO berichtete in der Ausgabe Juli 2024 über den Therapie-Durchbruch bei Mukoviszidose: "Stephan Kruip kann endlich durchatmen". Von Autorin Katharina von Ruschkowski. Der Artikel ist leider hinter einer Bezahlschranke.
“Success is the sum of small efforts, repeated day in and day out.” (Robert Collier)
“Perseverance is not a long race; it is many short races one after another.” (Walter Elliot)
“It’s not that I’m so smart, it’s just that I stay with problems longer.” (Albert Einstein)
13.04.2025: Marathon Nr. 5 in Zürich in 4h10min16sec Ich habs wieder getan! Mehr in der Rubrik Sport und Mukoviszidose...
Buchrezension „Breath from Salt“, die Mukoviszidose-Saga. Das englisch-sprachige Buch berichtet über die wissenschaftlichen und die wirtschaftlichen Hintergründe des Kampfes gegen Mukoviszidose und schildert die Emotionen der Familien, Ärzte und Wissenschaftler. Das Buch empfehle ich hier...