Schüsslersalze

Ich bin doch nicht beschüsselt!

Foto von SchuesslersalztablettenDem Homöopathen Wilhelm Heinrich Schüßler (1821-1898) wurde es irgendwann zu bunt: Die ca. 1000 verschiedenen Substanzen und die vielen Potenzen in der Homöopathie reduzierte er radikal auf nur zwölf Substanzen und drei Potenzstufen und erfand damit seine eigene Heilkunst. Schüßler-Salze sind also eine Art vereinfachte Homöopathie, und wurden deshalb im jahrzehntelangen Streit von den Homöopathen auch herablassend "Düngemittel" genannt.

Die Hypothese von Schüssler lautet:

Alle Krankheiten entstehen durch Mangel an einem der 12 Mineralsalzen, und wenn man dieses schluckt, wird man geheilt. Es gibt allerdings keine einzige wissenschaftliche Studie, die das irgendwie bestätigen würde. Die Stiftung Warentest kommt zu dem Urteil: „Biochemie nach Schüßler ist zur Behandlung von Krankheiten nicht geeignet“. Doch zurück zur Theorie:

Wie bekomme ich heraus, welches Schüssler-Salz bei mir fehlt?

Schüßler entschied sich für ein bestimmtes Salz aufgrund von Merkmalen im Gesicht („Antlitzanalyse“): Gibt es eine dunkle Färbung in den inneren Augenwinkeln? Dann brauch ich dringend Ferrum phosphoricum. Warum? Das ist einfach so - basta. Heute schaut der interessierte Laie in umfangreiche Tabellen: Natriumchlorid nimmt man in D6 beispielsweise gegen Wurmbefall!

Warum isst man die Salze in so großer Verdünnung, obwohl sie in der normalen Nahrung in einer vielfachen Konzentration vorhanden sind?

Die Salze sind in der Regel D6 = 1:1.000.000 oder D12 = 1:1.000.000.000.000 verdünnt, D12 entspricht etwa einem Tropfen, den man schön gleichmäßig im Bodensee verteilt hat. Die Tabletten bestehen also fast nur aus Milchzucker (Laktose), und können bei Laktose-Intoleranz durchaus Nebenwirkungen hervorrufen. Ach so, wir waren bei der Wirkung. Sie wird mit dem "Signalprinzip" begründet: Wird dem Organismus das erforderliche Salz in hochverdünnter Form zugeführt, so aktivieren diese wenigen Moleküle mittels ihrer "Schwingung" die im Körper vorhandenen Salze, und das repariert die jeweilige Funktionsstörung. Klingt genial, kann aber nicht klappen. Einzige Einschränkung: Der Placebo-Effekt funktioniert natürlich auch mit diesen Kügelchen, man muss nur dran glauben!

Warum ist die Methode heute buchstäblich in aller Munde?

Zunächst lief es schlecht für die Kristalle: Die Homöopathen betrachteten Schüßlers Theorie mit großem Argwohn, die konventionelle Medizin nahm ihn nicht ernst. In den 1920er Jahren wurden die Schüßler-Heilpraktiker von Ärzten als Kurpfuscher wegen fahrlässiger Körperverletzung angezeigt. Doch dann kam der Durchbruch, als im "Dritten Reich" die "Neue Deutsche Heilkunde" propagiert wurde. Schüßlers Biochemie wurde schlagartig zu einer anerkannten Heilweise. Das beeindruckt offenbar bis heute, und die Hersteller verdienen gut daran.

1942 versuchte der Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, die Wirksamkeit zu belegen. Im KZ Dachau wurden Experimente an 40 katholischen Priestern durchgeführt, indem z.B. durch Einspritzen von Eiter Blutvergiftungen hervorgerufen wurden. 10 Personen starben. Schüßler-Salze erwiesen sich, wie damals eigentlich schon bekannt war, als völlig wirkungslos. Kein Wunder, um mit Vince Ebert zu sprechen: Das wäre "so ähnlich, wie wenn ich in Frankfurt einen Autoschlüssel in den Main werfe – und dann in Würzburg versuche, mit dem Mainwasser das Fahrzeug zu starten."

Unser Rat:

Lassen sie die braune Vergangenheit auf sich beruhen und geben Sie ihr Geld für sinnvolle Dinge aus. Und nicht vergessen: Wir CF-Patienten brauchen im Sommer, wenn wir viel schwitzen, zusätzliches Salz. Will man das nicht schmecken, kann man auch täglich ein paar Kochsalztabletten schlucken (in der Apotheke z.B. PZN 2352370). Dafür sind Schüßler-Salztabletten völlig ungeeignet, denn sie enthalten so gut wie kein Salz!

Stephan Kruip (Mukoviszidose-Patient, Dipl.Phys. und Vorstandsmitglied des Mukoviszidose e.V.). Der Artikel erschien zuerst im Mitgliedermagazin muko.info Ausgabe 4/2011.

Zum Weiterlesen:

Stiftung Warentest (Hrsg.): Die andere Medizin – 'Alternative' Heilmethoden für Sie bewertet, S. 106. Berlin 2005, ISBN 3-937880-08-9

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