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Das Flüchtlingsproblem in einer kleinen Dorfgemeinde

[Eindringlicher Appell des kommissarischen Bürgermeisters Dr. Martin Hebel an die Politik für eine sachgemäße Verteilung der Flüchtlinge nach dem Krieg, am Beispiel der Gemeinde Hechendorf am Pilsensee, 11. April 1947]

Es gehörte zu den furchtbarsten Folgen des verlorenen Krieges, dass 8-9 Millionen als Flüchtlinge aus Ihrer Heimat verwiesen und in den zerstörten Rest des deutschen Lebensraumes hineingepresst wurden. Damit sind auch jene Gebiete, die der Krieg halbwegs verschont hatte, und die die Inseln des keimenden Wiederaufbaues werden sollten, in furchtbarer Weise betroffen worden, so dass heute die Zusammensetzung der Bevölkerung völlig verändert, der Wohnraum bis zur Grenze des Erträglichen eingeschränkt wurde.

Über die durch Krieg, Bombenangriffe und Entbehrungen schwer heimgesuchte Bevölkerung kam das Flüchtlingsproblem in dem Augenblick, als die Menschen glaubten, nach Einstellung der Feindseligkeiten neue Hoffnung fassen zu dürfen. Die Flucht der Ausgebombten aus den Städten und ganzer Landstriche vor der Endphase des Krieges hatte die Menschen schon gewaltig durcheinander geworfen und die Einwohnerschaft unseres Dorfes auf die doppelte Zahl erhöht. Örtliche Zufälligkeiten, wie die Nähe eines Flugplatzes, dessen Personal in der Gemeinde Wohnung suchte, trugen zu diesem Bevölkerungszuwachs bei, der den Ort völlig überfremdete. Diese Zuweisung von Flugplatzpersonal setzte auch nach dem Krieg sich in verstärktem Maße fort, und als gleichzeitig durch Beschlagnahme von deut-schen Häusern in den Nachbargemeinden zahlreiche Familien obdachlos wurden, wurden auch diese im Ort angesiedelt, der damit langsam an den Rand seiner Aufnahmefähigkeit kam. Freunde und Verwandte hatten im Ort Zuflucht gesucht, ehe das Flüchtlingswesen seine äußere Organisation fand und in wiederholten Sammlungen hatten die vom Krieg Verschonten ihre Hilfsbereitschaft gezeigt.

Da kam mit dem Sommer 1946 der Flüchtlingszustrom aus dem Osten. Zahlen wurden genannt, die keiner glaubte ernst nehmen zu können und eines Tages wurden die Unglücklichen plötzlich hundertweise in das Dorf geworfen, ein Teil im Spätsommer, ein Teil im Herbst, hart an der Schwelle des Winters. Häuser und Straßen wimmelten von Neuankömmlingen, meist Frauen und Kindern und alten Leuten, selten dazwischen ein Mann in besten Jahren. Und auch diese vielfach krank und kriegsbeschädigt. Ratlos standen die Wohnungsbeauftragten der Gemeinde der Aufgabe der Unterbringung gegenüber - das schon überfüllte Dorf sollte seine Bevölkerung auf das Dreifache erhöhen und darüber hinaus. Dem hartnäckigen Sträuben der Wohnungsinhaber gegenüber stand das maßlose Leid der Flüchtlinge, die nach Monaten Lagerleben und hin- und her-Transport, müde und beinahe apathisch nur darauf warteten, dass man ihnen ein Stück Boden zeigte, wo sie ihre letzte Habe niederlegen und wo sie ihre Kinder hinbetten konnten. Der Flüchtlingskommissar, der dem Ort die Flüchtlinge zugewiesen hatte, sandte seine Außenkommissare, die, gestützt auf neu erlassene gesetzliche Bestimmungen unter härtesten Eingriffen Wohnraum schufen, oft unter händeringendem Protest der bisherigen Bewohner. Zwei und drei Familien in einer Küche, keine Heizstelle in den zugewiesenen Räumen, Öfen und Herde, die versprochen, aber nicht geliefert wurden, dringend notwendiger Arbeitsraum den Berufstätigen einfach weggenommen, das letzte Restchen Eigenlebens und unter-sich-Seins geraubt, das war die neue Lage und so ging es dem Winter entgegen. Die Außenkommissare zogen ab, die Kämpfe und Proteste der unhaltbar Betroffenen hämmerten auf die Ortsbehörden nieder, mit oft sehr persönlichen Angriffen.

Unter dem unerbittlichen Druck der Unmöglichkeit kam es nun zu vielen Vorstellungen bei den Flüchtlingskommissariaten im Kreis, Bezirk und Land und nach eingehender Prüfung wurde auch baldige Abhilfe durch Abtransport von etwa 200 Flüchtlingen versprochen. Die örtlichen Wohnungsbeauftragten und die Ortsbehörden vertrösteten, gestützt auf diese Zusagen die vielen Flüchtlinge und Ausgewiesenen von Woche zu Woche und wurden immer wieder vorstellig, aber neue Flüchtlingsströme, die in unabsehbaren Mengen heranrollten, führten dazu, dass keine der Zusagen gehalten wurde.

So kam der Winter mit früher strenger Kälte. Um den Flüchtlingen den Umzug nicht zu erschweren, hatte man mit der Zuteilung von Holz und Kartoffeln zugewartet, jetzt musste man mit ihrem Verbleib rechnen und überstürzt für die Einwinterung sorgen. Die Unhaltbarkeit mancher Wohnungseinweisung trat täglich in bittersten Beschwerden zu Tage und es war unvermeidlich, trotz aller Überfüllung noch zahlreiche Umquartierungen vorzunehmen, wenn die Gefahr des Erfrierens und schwerster Gesundheitsschädigung bestand. So kam die erste Frostperiode, so kam Weihnachten.

So schwer es nach sechs Jahren Einkaufssperre fiel, war es doch allen Menschen klar geworden, dass der Zufall, welcher dem Einen den größten Teil seiner Habe beließ und dem Anderen alles nahm, auch die stärkste moralische Verpflichtung zur Hilfeleistung mit sich brachte, Wieder und wieder wurde gesammelt, zum fünften und sechsten Mal in dem Dorf und wieder wurde gegeben, mit anerkennenswertem Verständnis und warmer Hilfsbereitschaft. Die beiden führenden Parteien, CSU und SPD veranstalteten durch ihre Ortsverbände eine Weihnachtsfeier für die Flüchtlinge, nament-lich für die Frauen und Kinder, die unter Beteiligung des ganzen Dorfes mit guten Sachen und Spielzeug beschenkt wurden. Die amtlichen Zuteilungen in diesen Monaten wirkten wie ein Scherz. Vier bis fünf Tassen, einige Trinkbecher, einige Paar Schuhe usw., für 300 Flüchtlinge und 400 Evakuierte. Ein wilder Kampf um Bezugsscheine, ein Reisen von Dienststelle zu Dienststelle setzte ein, bis die Ärmsten durchfroren, hungernd und um Hoffnungen ärmer mit leeren Händen in ihre Notquartiere zurückkehrten. Da erkannten sie, dass die neue Heimat ihnen wenig oder nichts zu bieten hatte, nur einen Winkel unter dem Dach und einen Teil der eigenen Not.

Der Winter kam, und es war langsam still geworden in unserem Dorf. Die grimmige Winterkalte brachte den Kampf um die primitivste Lebensbehauptung, die Lösung der brennendsten Probleme war aufgeschoben, buchstäblich auf Eis gelegt.

Inzwischen begann in der Zahl der Flüchtlinge eine langsame aber ste-tige Vermehrung [ergänzt: durch Verwandte. Die Unterkünfte, oft] nicht für den Winter gebaut, sind bis zum Bersten gefüllt. In einem einzigen heizbaren Raum, hinter dünnen Bretterwänden zusammengepfercht, leben sechs bis acht Personen, während das Wasser an den Wänden herunterläuft und zu Eis gefriert und das Holz der Bretterwände vor Schimmel schwarz anläuft. Die Hausbesitzer fallen über die Gemeinde her und fordern Schadenersatz für die zerstörten Häuser, die sie sich mühselig erspart und erarbeitet haben. Die Antwort ist ein Achselzucken und schließlich kommt es zu bitterer Anfeindung, als hätte der Wohnungsbeamte oder Bürgermeister all die Leiden und Folgen des Krieges persönlich verschuldet. Man hat sich langsam daran gewöhnt, Prügelknabe zu sein.

In dieser Lage wartete die Gemeinde auf das Ende des Winters, das für sie mit besseren Lebensbedingungen auch erneut die Fülle aller Probleme aufrollt und so soll in einer kurzen Darstellung hier über diese Fragen gesprochen werden. Was in der kleinen Zelle eines Dorfes geschieht und geschehen muss, gilt mehr oder weniger für das ganze Land und so mögen diese Probleme allgemeines Interesse beanspruchen.

Wenn endlich einmal der Zustrom der Ausgewiesenen ein Ende findet, tritt offenbar das Flüchtlingsproblem in ein nicht minder wichtiges zweites Stadium. Galt es zuerst die unglücklichen Menschen aus Eisenbahnwaggons und Lagern einmal unter ein Dach zu stopfen, wo sie den Winter überleben konnten, so muss jetzt die sinnvolle Verteilung und dann die Eingliederung in den Arbeitsprozess beginnen. Heim und Arbeit machen den Ausgewiesenen erst die Fremde zur neuen Heimat, und es ist gerade die Tendenz der CSU, hier aus christlicher Einstellung heraus dem individuellen Bedürfnis des Einzelnen hilfreich entgegenzukommen.

Die bisherige Einweisung ist als erste Notmaßnahme rein zahlenmäßig und überstürzt erfolgt, sie musste so verlaufen, da die Fülle der Aufgaben, der Druck des Zustroms keine andere Methode zuließ. Wohl hat man in Karten und Übersichten in den Kommissariaten auf eine ungefähr gleichmäßige Verteilung hingearbeitet, aber da vor allem die örtlichen Vorbelastungen vorher nicht erschöpfend erfasst werden konnten, musste die Verteilung da und dort zu unhaltbarer Überfüllung führen, wie z.B. in unserem Ort. Dazu eine kurze Zahlenbetrachtung: Wenn zu 6,5 Millionen Stammeinwohnern in Bayern etwa zwei Millionen Flüchtlinge hinzukommen sollen, bedeutet dies im Durchschnitt eine Mehrung um ein Drittel. Da aber in den zerstörten Städ-ten und Landesteilen keine Mehrung möglich ist, sondern kaum die Frie-densbevölkerung Raum findet, scheiden zwei Millionen aus und die zwei Millionen Flüchtlinge müssen auf dem Raum von 4,5 Millionen überwiegend ländlicher Bevölkerung untergebracht werden. Das heißt, dass im Durchschnitt die 1,8-fache Bevölkerung auf gleichem Raum Unterkunft finden muss. Dies ist an sich schon eine ungeheuer harte Forderung, die den Be-stand unserer Landbevölkerung vollkommen verändern wird, aber eben ei-ne Situation mit der man sich wird abfinden müssen.

Wenn nun ein Ort wie der unsere und viele unserer Nachbarorte im Kreis Starnberg nicht 1,8-fach, sondern über dreifach belegt sind, so ist die-ser Umstand unhaltbar und muss geändert werden, nicht weil die Bevölkerung es an Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft fehlen lässt, sondern im Interesse der Flüchtlinge selbst, denen bei solcher Zusammendrängung keine ausreichende Lebensmöglichkeit geboten werden kann. Die Häufung der Umstände Großstadtnähe, Bahnstation, Vierseengebiet, Nähe des Flugplatzes, Beschlagnahme durch die Besatzungsmacht und dazu die Flüchtlingszuweisung konnte zu diesem Missverhältnis führen, das aber klar erkannt und berichtigt werden muss.

Diese Feststellung soll weder Kritik noch Anklage, sondern nur ein Beispiel dafür sein, wie dringend jetzt das zweite Stadium des Flüchtlingsproblems, die gerechte und sachgemäße Verteilung ist. Wenn ein Kreis oder Ort auf die 3,1-fache Bevölkerung gestiegen ist, müssen anderswo unter dem Durchschnitt belegte Orte sein, die nun in gerechtem Ausgleich herangezogen werden müssen. Dabei ist es klar, dass man nicht schematisch mit Zahlen operieren kann, sondern Lebensbedingungen und Aufnahmefähigkeit durchaus zu stärkerer Heranziehung des einen oder anderen Ortes berechtigtermaßen führen können.

Man kann die Millionen der Flüchtlinge nicht wie Streusand über die Landesfläche hinwerfen. Unser verzweifelt ringender Wirtschaftsapparat wird vielmehr gerade eine sachgemäße Eingliederung dieses neuen bedeutsamen Bevölkerungsteils nach Arbeitsmöglichkeit und Nachfrage erforderlich machen. Hier ist es besondere Bemühung der CSU, auf die individu-ellen Notwendigkeiten einzugehen und dies wird die Aufgabe der zweiten Ansiedlungsphase ausmachen.

Eine unverhältnismäßige Überfüllung mit Flüchtlingen und Evakuierten, deren Zahl in Summe in Ansatz gebracht werden muss, vermindert die Erwerbs- und Betätigungsmöglichkeit, führt einerseits zu völliger Überfremdung, anderseits zur Überlastung von Wasserleitungen, Stromversorgung und letzten Endes zur Heranziehung unhaltbarer Wohnmöglichkeiten und damit zu furchtbaren Härten gegen die Flüchtlinge selbst. Besonders furchtbar aber muss es sich auswirken, wenn die Gemeinden unter dem Druck der unhaltbaren Überfüllung den aus der Gefangenschaft entlassenen Mann zurückweisen müssen, Kinder nicht zu den Eltern ziehen lassen können und so die Bande der Familienzusammengehörigkeit willkürlich zerreißen müssen. Furchtbare Szenen und furchtbarste Verbitterung sind die Folgen. Hier muss Abhilfe geschaffen werden und dies kann nur durch bald einsetzende gerechte Verteilung kommen. Jeder erfahrene Wohnungsbeamte weiß, dass wenn 100 Flüchtlinge eingewiesen werden, diese sich durch Nachzug bald auf 150 bis 200 vermehren. Die Gemeinde, welche menschlich handelt und hier einseitig nachgibt, trägt die Last. Es gibt einen Punkt, wo alle menschliche Hilfsbereitschaft an der harten Unmöglichkeit scheitert. Hier ist nicht mit gedankenloser Zuzugsgenehmigung geholfen, hier wird es zur ernsten Pflicht, vor den maßgebenden Stellen auf entsprechenden Austausch zu dringen und dazu sind diese Worte bestimmt.

Die Aufnahme der Flüchtlinge ist je nach ihrem Verhalten eine recht un-terschiedliche. Ein hoher Prozentsatz gliedert sich gut in die Gemeinde ein, greift zu, wo Arbeit nottut und erfreulich oft hört man von Wohnungsinhabern und von Flüchtlingen, dass sie sich gut verstehen und keine Änderung wünschen. Die Beschlagnahme zahlreicher Häuser hat auch den Einheimischen das Flüchtlingsschicksal greifbar vor Augen gestellt. Daneben bleibt aber auch ein gewisser Prozentsatz von Leuten, die trotz dringenden Bedarfs in Landwirtschaft und Haushalt nicht zur Arbeit zu bewegen sind, vielmehr glauben, als Staatsrentner und Empfänger von Fürsorgeunterstützung nun einmal bequem leben zu können. Es ist eine betrübliche Tatsache, dass selbst im kleinsten Dorf dringend Bedarf an Arbeitskräften besteht, während sehr viele unbeschäftigt herumlaufen, in den Wohnungen herumsitzen und grübeln, oft vom Schwarzen Markt leben, während Mädchen und junge Frauen in für das Dorf Ärgernis erregender Weise einem bequemen Gelderwerb nachgehen. Oft ist es der Hinweis auf fehlende Kleidung und Mangel an Schuhwerk, der zur Ablehnung der Arbeit führt, aber oft fehlt es leider auch an gutem Arbeitswillen.

Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden. Richtiger Austausch und Arbeitsbeschaffung müssen dabei Hand in Hand gehen. Bei einer tragbaren zahlenmäßigen Verteilung muss sich ein Austausch nach dem Ort der be-rufsgemäßen Arbeitsmöglichkeit einsetzen, wobei die Gemeinden mit den Kommissariaten von Kreis, Bezirk und Land wechselseitig zusammenarbei-ten müssen und nicht mehr einseitig Diktate empfangen dürfen. Die Arbeitsämter müssen von den Beauftragten für Arbeitseinsatz in der Gemeinde tat-kräftig unterstützt werden und umgekehrt.

An Arbeitsbeschaffung muss im Zusammenwirken mit der örtlichen Flüchtlingsverteilung nachdrücklich herangegangen werden. Die für Haushalt und Landwirtschaft gebrauchten Kräfte müssen durch tragbare Lohn- und Lebensbedingungen geworben werden, aber auch wenn nötig mit einem Druck über die Lebensmittelkarten zur Arbeit angehalten werden. Die Nähe der Großstadt bietet mancherlei Arbeitsmöglichkeit, besonders heute, wo der Wiederaufbau auf allen Gebieten reichsten Arbeitsbedarf bietet. Da-neben muss aber auch für Heimarbeit gesorgt werden. In unserem Dorf besteht bereits die Möglichkeit, Näharbeiten als Heimarbeit auszuführen, was allerdings ein Minimum geeigneten Lebens- und Arbeitsraumes und damit wiederum die Beseitigung der unhaltbaren Überfüllung voraussetzt.

Es gelingt aber auch durch planmäßige Organisation am Ort eine Klein-industrie zu schaffen für kunstgewerbliche Arbeiten, Töpferarbeiten, in der Lederindustrie, Spielzeugindustrie, durch Auswahl noch benötigter Hand-werksbetriebe, die bisher in der Gemeinde fehlten. Dabei muss es den Interessenten durch Hilfe finanzieller Art und durch Beschaffung von Arbeits-raum und Werkzeugen ermöglicht werden, langsam ihre Tätigkeit aufzubau-en. Hilfe der Kreisorganisationen ist dazu unentbehrlich und eben Vorhandensein ge-eigneter Räume für die Schaffung solcher Betriebe.

Es sind heute Kleingarten- und Siedlungsprojekte von der Regierung in Angriff genommen worden, die bestimmt Abhilfe und Erleichterung schaffen können, aber eh diese Arbeiten in Angriff genommen werden, muss das zweite Stadium, die sinnvolle Verteilung der Flüchtlinge durchgeführt sein. Eine Flüchtlingsfamilie darf nicht am falschen Ort festgehalten bleiben, bloß weil sie eine Siedlung oder einen Garten angelegt hat.

Die zu erwartende Währungsreform wird einerseits viele zu geordneter Arbeit zwingen, anderseits manche Betätigungsmöglichkeit, die heute leicht geboten werden kann, beseitigen. Unter in der Wirtschaft erfahrenen Fachleuten wird sich auch der strahlendste Optimist nicht vorstellen können, wie einmal die in Bayern zusammengepferchten Menschen eine auskömmliche Existenz finden sollen, angesichts der Perspektiven, die sich für die nächsten Jahre eröffnen. Die bequemen Geldquellen aus der Fürsorge werden bald auf das äußerste gedrosselt werden müssen, ein erschreckend hoher Prozentsatz der Flüchtlinge besteht aus Kindern, kinderreichen Müttern und älteren Leuten. Ungeheure Schwierigkeiten und Aufgaben warten hier auf uns in der Zukunft. So möge wenigstens eine vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit zwischen den Kommissariaten und den örtlichen Beauftrag-ten, sowohl aus der Gemeindeverwaltung, als auch aus den Reihen der Flüchtlinge selbst dazu führen, dass durch eine sachgemäße Verteilung der richtige Ansatz für die Bewältigung dieser Aufgaben gemacht wird. Finden die Gemeinden ein verständnisvoller Ohr und Hilfe und Entgegenkommen bei ihren Vorstellungen, so wird ihre Tatkraft geweckt, während Hinhalten und Versprechungen, die nicht gehalten werden, nur zu allgemeiner Resignation führen. Das Jahr 1947 findet uns vor einem Berg von Schwierigkeiten am Scheideweg zwischen gemeinsamem Aufbau und tatkräftiger Meiste-rung der Probleme oder allgemeiner Enttäuschung und hoffnungsloser Verzagtheit, die einfach die Dinge laufen lässt.

Möchten in diesem Sinne meine kurzen Hinweise auf die Verhältnisse in einer der vielen kleinen Zellen unseres Vaterlandes der Erkenntnis der Lage und der Erfassung der Probleme dienen.

Dr. Martin Hebel am 11. April 1947

 

Von Prof. Dr. Martin Hebel

Dr. Martin Hebel an seinem 65. Geburtstag

geb. 17.10.1895, gest. 24.12.1968

wohnhaft in Hechendorf am Pilsensee von 1928 bis 1968.

Professor für Wählervermittlungstechnik und Telegraphie an der TU München

1945-1948 1. Nachkriegsbürgermeister in Hechendorf/Güntering

Die Aufzeichnungen von Dr. Martin Hebel wurden unverändert übernommen (2005 durch Arno Berleb, 2018 von Stephan Kruip)

 

Prof. Hebel hat von 1922 bis 1933 maßgeblich an der Entwicklung des Selbstwähl-Fernverkehrs mitgearbeitet und war von 1945 bis 1964 Profes-sor für Wählervermittlungstechnik und Telegraphie an der TU München. Seinem Erfindergeist sind nicht weniger als rund 650 Patente zu verdanken. Prof. Hebel war maßgeblich beteiligt, als in Weilheim die erste „Teilnehmer-Fernwahl-Netzgruppe“ der Welt, zunächst für einen Umkreis von 25 km, geschaffen wurde. Bereits 1928 war die Reichweite des Wählverkehrs auf 100 km vergrößert, und zwar mit Ortskennzahl nach seinen Vorschlägen.

Nach 1945 sollte er Postminister werden, aber er wollte nicht nach Bonn. Bei Kriegsende 1945 wurde er als kommissarischer Bürgermeister einge-setzt, im Januar 1946 dann bei den 1. Gemeindewahlen zum Ersten Bür-germeister gewählt. Zwanzig Jahre lang wirkte Prof. Hebel als Mitglied des Kreistages und arbeitete so am Aufbau des Landkreises Starnberg mit.

Quelle: Gemeinde Seefeld-Hechendorf

 

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Foto: Ethikrat Stephan Kruip am RednerpultStephan wurde 2016 in den 26-köpfigen Deutschen Ethikrat berufen (hier sein kurzes Vorstellungsvideo). 2018 hielt er Vorträge über Ethische Probleme von Menschen mit seltenen Erkrankungen und über Menschenwürde und Keimbahntherapie. Zum Weiterlesen: Infobrief des Deutschen Ethikrats. Seit der Wiederberufung 2020 beschäftigen wir uns vor allem mit der Corona-Pandemie, z.B. die Impf-Reihenfolge und besondere Regeln für Geimpfte? 


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