„von Frau zu Frau“: Wenn Redakteure nichts verstanden haben

Die Zeitschrift "von Frau zu Frau" hatte in der Ausgabe 20.01.2020 in einem kleinen Artikel mit der Überschrift "Warum sind Inzest-Kinder so oft krank?" u.a. geschrieben: "Erbkrankheiten wie Mukoviszidose sind bei Kindern aus Inzest-Beziehungen etwa viermal so häufig", und ein Foto von dicken Fingerkuppen bekam die Bildunterschrift: "Mukoviszidose ist eine häufige Folgeerkrankheit bei Kindern, die durch Inzest entstehen. Ein typisches Symptom: Uhrglasnägel".

Wir wenden uns aufs Schärfste gegen die abwegige und unsinnige Formulierung, Mukoviszidose sei „eine häufige Folgekrankheit bei Kindern, die durch Inzest entstehen“. Mit dem Artikel „Warum sind Inzest-Kinder so oft krank“ erweckt die Zeitschrift „von Frau zu Frau“ in der Ausgabe 1, 20.01.2020 einen verheerenden falschen Eindruck und setzt Familien mit Mukoviszidose-Kindern einem ungeheuerlichen Generalverdacht aus.

Unbestreitbar ist, dass die genetischen Risiken für Kinder aus Inzestbeziehungen erhöht sind. Aber: Mukoviszidose tritt auf, wenn beide Eltern Merkmalsträger der genetischen Veränderung sind, in Deutschland sind ca. 5% der Bevölkerung gesunde Merkmalsträger. Die ca. 200 Kinder, die in Deutschland pro Jahr mit Mukoviszidose zur Welt kommen, gedanklich mit Inzest in Verbindung zu bringen, ist völlig abwegig - die Behauptung folgt dem Schema: Der Aufenthalt im Weltraum erhöht nachweislich das Krebsrisiko (richtig). Behauptung: "Krebs ist eine häufige Folgekrankheit bei Menschen, die sich im Weltall aufgehalten haben". Das ist falsch, denn die Ursachen für Krebs sind fast ausschließlich auf der Erde zu finden, die Astronauten spielen zahlenmäßig bei den Krebserkrankten überhaupt keine Rolle. Genauso spielt Inzest bei der Entstehung von Mukoviszidose zahlenmäßig überhaupt keine Rolle. Bei der Mukoviszidose haben wir grob geschätzt 3-4 Millionen gesunde und meist nichtsahnende Merkmalsträger in Deutschland, so dass weit über 99% aller Kinder mit Mukoviszidose NICHT aus einer nahen Blutsverwandtschaft der Eltern hervorgehen. In Kulturkreisen, in denen Blutsverwandten-Ehen üblich sind, ist die Mukoviszidose im Übrigen viel seltener als in Deutschland.

Die Botschaft Ihres Artikels ist aber auch aus anderen Gründen kritikwürdig, denn es wird der Eindruck erweckt, als ob Inzest-Beziehungen aus Gründen der Gesundheit der Bevölkerung zu verbieten wären. Auch das ist falsch. Der Deutsche Ethikrat hat sich in seiner Stellungnahme „Inzestverbot“ schon 2014 gegen die Strafbarkeit von Inzest nach § 173 StGB ausgesprochen: „Der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung als Verbotsgrund hätte zur Folge, dass auch anderen Paaren, die von ihrer erblichen Belastung wissen, die Fortpflanzung strafrechtlich verboten werden müsste. Dieser Gedanke sei jedoch in einer Gesellschaft, in der reproduktive Entscheidungen unverrückbar in den höchst persönlichen Verantwortungsbereich der Eltern fallen, auf das Schärfste abzulehnen. Dies hat auch die Deutsche Gesellschaft für Humangenetik in einer Stellungnahme zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kritisch angemerkt und als Beispiel die relativ häufige erblich bedingte Veranlagung für Mukoviszidose angeführt:. Das Argument, es müsse in Partnerschaften, deren Kinder ein erhöhtes Risiko für rezessiv erbliche Krankheiten haben, einer Fortpflanzung entgegengewirkt werden, ist ein Angriff auf die reproduktive Freiheit aller.“

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Stephan Kruip
Vorsitzender des Mukoviszidose e.V.
Mitglied im Deutschen Ethikrat