Kein Dammbruch bei der Präimplantationsdiagnostik (PID)

Auswertung von fünf Jahren PID-Praxis

Ein Bericht an den Deutschen Bundestag (1) bringt gute Nachrichten: Der vielbeschworene „Dammbruch“ bei der genetischen Selektion ist durch die Einführung der PID nicht eingetreten, weil die im Gesetzgebungsverfahren beschlossenen Kontrollmechanismen offenbar wirken.

Als Präimplantationsdiagnostik (PID) wird die genetische Untersuchung von Embryonen verstanden, die mittels künstlicher Befruchtung (In-vitro-Fertilisation, IVF) erzeugt wurden. PID wird vor der Übertragung des Embryos in die Gebärmutter angewendet, um genetische Abweichungen wie z. B. die Mukoviszidose zu erkennen und anschließend nicht betroffene Embryonen auszuwählen. Bei der PID werden meist bis zu sechs Embryonen untersucht, da nicht mehr als drei in die Gebärmutter transferiert werden dürfen.

Der Mukoviszidose e.V. hatte sich in der erhitzten PID-Diskussion nicht pauschal gegen die Methode ausgesprochen, und stattdessen in seiner Stellungnahme vom 13.12.2002 vor dem Nationalen Ethikrat konkrete Bedingungen für eine Zulassung formuliert: Ethische Beurteilung im Einzelfall, eine individuelle Beratung an einer humangenetischen Beratungsstelle, strenge Qualitätskontrolle der Handelnden und die Beschränkung auf wenige Zentren.

Nach langer intensiver gesellschaftlicher Diskussion wurde die PID 2011 mit einer Änderung des Embryonenschutzgesetzes in bestimmten Fällen erlaubt. Die enge Begrenzung auf schwere Erbkrankheiten resultierte aus der Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Einzelnen einerseits und dem Schutz allgemeiner Rechtsgüter durch den Staat andererseits. Dabei wurde aber vermieden, eine Liste von Krankheiten aufzustellen. Eine Verordnung zur Regelung der PID machte dann erst 2014 die Durchführung der PID tatsächlich möglich. Fünf Jahre später hat der Bundestag nun einen Bericht zum "aktuellen Stand und Entwicklungen der Präimplantationsdiagnostik“ entgegen genommen :

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass in Deutschland 2018 ca. 300 PIDs in Anspruch genommen wurden, zwar mit steigender Tendenz, aber eindeutig im Rahmen des vorausgesagten Bedarfs von „wenigen Hundert“. Von einem Dammbruch kann in Deutschland also bisher keine Rede sein. In Deutschland waren 2019 elf PID-Zentren zugelassen, die Anträge werden von vier PID-Ethikkommissionen mit jeweils acht Mitgliedern beurteilt. Nach Meinung der Experten umgehen nur noch wenige Paare die strengen Regeln in Deutschland durch PID-Tourismus ins Ausland.

Einige juristische Fragen wurden inzwischen geklärt: Ein Paar ging vor Gericht, weil ihre Ethikkommission die betreffende Erkrankung nicht als schwerwiegend ansah und ihren Antrag ablehnte. Das Gericht wies die Klage ab, weil es nicht möglich sei, die wertende Betrachtung über die Erkrankung juristisch zu überprüfen, solange die Begründung und das Verfahren korrekt seien. Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass die Paare die Kosten der PID und der IVF selbst tragen müssen - sie belaufen sich insgesamt auf 10.000 bis 20.000 Euro. Falls der Gesetzgeber die Übernahme der PID-Kosten durch die Krankenkassen ermöglichen würde, könnte sich die Zahl der PIDs merklich erhöhen.

Auch Veränderungen bei der Definition einer „schwerwiegenden Erbkrankheit“ könnten die Zahl der PIDs beeinflussen. Denn ob eine Erkrankung als schwerwiegend betrachtet wird, entscheiden die Kommissionen im Einzelfall anhand der Schwere des klinischen Bildes, der Therapierbarkeit sowie der Verringerung der Lebenserwartung. Für die Mukoviszidose gibt es in allen drei Kriterien positive Veränderungen. Wird Mukoviszidose in Zukunft überhaupt noch eine ausreichende Rechtfertigung zur Durchführung einer PID sein? Und falls ja: Darf der Zugang zu dieser Methode von der finanziellen Situation des Paares abhängen? Was meinen Sie zur PID bei Mukoviszidose? Schreiben Sie Ihre Meinung gerne an redaktion@muko.info

Stephan Kruip, Mitglied des Deutschen Ethikrats

(1) Deutscher Bundestag: Bericht Aktueller Stand und Entwicklungen der Präimplantationsdiagnostik (Drucksache 19/15000) vom 04.11.2019

(Der Artikel ist zuerst erschienen in der muko.info Ausgabe 1/2020)