Menschen mit seltenen Erkrankungen schützen

Deutscher Ethikrat fordert gerechtere Versorgung

OrganspendeausweisIn seiner im November 2018 veröffentlichten Ad-hoc-Empfehlung macht der Deutsche Ethikrat auf die spezifische Vulnerabilität (Verwundbarkeit) von Menschen mit seltenen Erkrankungen aufmerksam1. Er fordert eine Reihe von Maßnahmen zum Schutz vor unzureichender Versorgung der Betroffenen. Als Ziel wurde die faire Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse in der klinischen Forschung und im Gesundheitswesen formuliert.

Wer in Deutschland zu den etwa vier Millionen Menschen mit einer seltenen Erkrankung gehört, sieht sich oft mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert. Von der falsch oder verspätet gestellten Diagnose bis hin zu den psychischen Belastungen durch Isolationserfahrungen oder schlechte Versorgung – die Interessen der Betroffenen werden oft nicht angemessen wahrgenommen.

Allen eine faire Chance

Dabei besteht weithin Konsens, dass eine solidarische Gesellschaft allen ihren Mitgliedern eine faire Chance auf adäquate Behandlung im Fall von Krankheit einräumen muss, unabhängig davon, ob es sich um eine häufige oder seltene Erkrankung handelt. Der Ethikrat hält es daher für dringend nötig, die medizinische Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen zu verbessern und ihre Partizipationsmöglichkeiten zu fördern.

Zentrenfinanzierung

Die schlechte Versorgungslage von Menschen mit seltenen Erkrankungen sollte vor allem durch ausreichende Finanzierung von zertifizierten Zentren für seltene Erkrankungen verbessert werden. Sie sollen bundesweit eine multiprofessionelle Versorgung ermöglichen und für die Betroffenen eine Lotsenfunktion im Gesundheitswesen übernehmen. Zudem brauchen Erkrankte Zugang zu spezifischen und altersgerechten Schulungsprogrammen.

Selbsthilfe

Selbsthilfegruppen bzw. Patientenorganisationen von Menschen mit seltenen Erkrankungen verfügen über einen reichhaltigen Erfahrungsschatz, der zur Verbesserung von Diagnose, Behandlung und Prävention genutzt werden sollte. Mit Rücksicht auf die besonderen Probleme der Betroffenen spricht sich der Ethikrat dafür aus, das Gesundheitswesen „selbsthilfefreundlich“ zu organisieren. Patientenregister sind bei seltenen Erkrankungen besonders wichtig, um noch bessere Evidenz nach der Zulassung neuer Medikamente zu gewinnen. Sie ermöglichen zudem die Bündelung und effizientere Ausnutzung von lokal vorhandenem Wissen sowie die bessere Vernetzung von Fachkräften und Betroffenen.

Stephan Kruip, Mitglied im Deutschen Ethikrat

1) Link zur Stellungnahme „Herausforderungen im Umgang mit seltenen Erkrankungen“ des Deutschen Ethikrats vom 23. November 2018.