PID-Stellungnahme 2002

Anhörung im Ethikrat

Logo EthikratAm 13. Dezember 2002 war Stephan Kruip für den Mukoviszidose e.V. in einer Anhörung des Nationalen Ethikrats. Lesen Sie die gesamte Stellungnahme im  PDF-Format.

Die Mukoviszidose wird in der Diskussion um die Anwendung der PID häufig als Paradebeispiel für eine schwerwiegende, tödlich verlaufende und die Lebenserwartung begrenzende genetische Erkrankung genannt. Da die Mukoviszidose auf einem einzelnen Gen lokalisiert ist und zudem häufig vorkommt – etwa jeder 20. Neugeborene in Deutschland hat Mukoviszidose –, ist die Anwendung der PID bei Mukoviszidose nach Meinung der Befürworter sinnvoll, ja zur Vermeidung von Leiden geradezu notwendig.

Die Diskussion über die PID befasst sich mit Normenwidersprüchen: Auf der einen Seite der Embryonenschutz als hochrangiger gesellschaftlicher Wert, auf der anderen Seite die mögliche Hilfe für einzelne Personen, die trotz ihrer Erbanlagen ein Kind ohne diese Erbkrankheit bekommen möchten.

Die Position des Mukoviszidose e.V. zur PID

Der Mukoviszidose e.V. als Selbsthilfeverband von Eltern, Patienten und Behandlern hat in seinen Reihen auch Eltern, die bereits ein Mukoviszidose-Kind haben und PID anwenden würden bzw. auch im Ausland anwenden, um ein weiteres Kind ohne Mukoviszidose zu bekommen. Solche Eltern haben bisher über „Schwangerschaft auf Probe“ nachgedacht und sehen in der PID die im Vergleich weniger belastende Alternative. Auch diese Eltern wollen wir mit ihren Problemen ernst nehmen und haben uns deshalb bisher nicht auf ein simples Nein zur PID festgelegt.

Die negativen Folgen der möglichen Einführung der PID betreffen die gesamte Gesellschaft, daher muss die Gesellschaft als Ganzes bzw. ihre gewählten Vertreter auch die Entscheidung treffen. Aus der Sicht der Menschen, die mit Mukoviszidose leben, haben wir aber unsere Erfahrungen und Gedanken für diese Entscheidung beigetragen. Wir haben außerdem Rahmenbedingungen vorgeschlagen für den Fall der Zulassung der PID: Ethische Beurteilung im Einzelfall, eine Beratung an einer humangenetischen Beratungsstelle, strenge Qualitätskontrolle der Handelnden und die Beschränkung auf wenige Zentren.

Ein auch aus heutiger Sicht wichtiger Punkt im Jahr 2002:

Mukoviszidose-Patienten sind auf kompetente und finanzierbare medizinische Hilfe angewiesen. Die Verfügbarkeit medizinischer Versorgung entscheidet über physisches und psychisches Wohlbefinden. Fast 70 Prozent der erwachsenen Patienten müssen aber in die Kinderklinik gehen, weil Spezialambulanzen für Mukoviszidose an Erwachsenenkliniken wegen fehlender Finanzierbarkeit kaum eingerichtet werden. Besonders empört uns, dass das Bundesgesundheitsministerium uns lapidar mitteilt, dass die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung einvernehmlich der Auffassung seien, dass die Behandlung von erwachsenen Mukoviszidose-Patienten in den Händen von Kinderärzten bleiben kann. Die wenigen bestehenden Erwachsenenambulanzen müssen sich zu circa 50 Prozent aus Spenden oder anderen Drittmitteln finanzieren, weil die von den Verbänden festgelegten Entgelte die Behandlungskosten nicht decken. Und politisch wird nicht einmal der Bedarf erkannt, an dieser skandalösen Situation etwas zu verändern. Wir befürchten konkret, dass sich unsere unbefriedigende medizinische Versorgungssituation weiter verschlechtert, sobald in der Bevölkerung durch ein PID-Angebot das Vorurteil heranwächst: Mukoviszidose, das muss doch heute nicht mehr sein. – Dieses Szenario mit der Illusion von Vermeidbarkeit und daraus resultierender schlechterer Versorgung in der Zukunft ist eine konkrete Angst, die für viele Patienten mit Mukoviszidose mit der Einführung der PID verbunden ist.

Stephan Kruip